Stark durch Journalismus?

In der Corona-Pandemie suchen junge Menschen nach verlässlichen Informationen, finden sie aber nicht nur bei Nachrichtenmedien. Eine Gefahr für die Widerstandsfähigkeit der Gesellschaft in Krisenzeiten? Was der Reuters Digital News Report 2021 und die Studie #usethenews über das Mediennutzungsverhalten von Millennials in Zeiten der Pandemie sagen.

Während steigende Temperaturen und Impfzahlen die Corona-Pandemie im Alltagsbewusstsein vieler Menschen in den Hintergrund rückt, scheint sie das Medienhandeln bereits nachhaltig geprägt zu haben: Vor allem junge Menschen haben viel lernen müssen darüber, wie tiefgreifend digitale Medientechnologien zwischenmenschliche Beziehungen, aber viel grundlegender noch gesellschaftliche Institutionen wie Schule und Universität in Zeiten sozialer Distanz verändern. Die Pandemie hat speziell bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen das Erleben klassischer Lebensphasen gehörig durcheinander gewirbelt und Meilensteine der Sozialisierung zumindest verschoben. Auch das Durchstarten am Arbeitsmarkt wurde Nachwuchskräften durch Corona-Folgen wie Kurzarbeit, Personalabbau und Einstellungsstopp erschwert. Doch welche Auswirkungen haben die herben Einschnitte auf ihr Medienhandeln und ihr Informationsverhalten, um im alltäglichen Lebensumfeld und der digitalen Welt Schritt zu halten mit den großen Fragen und Herausforderungen, die insbesondere die Zukunft ihrer Generation betreffen?

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Beim Trendreporting des VOCER Millennial Labs recherchieren und analysieren wir den Markt der Medienangebote, die sich an Millennials richten, fassen relevante Studien zusammen und geben internationale Einblicke in den Journalismus für neue Zielgruppen. In diesem Beitrag beleuchten wir die relevanten Ergebnisse des Reuters Digital News Report 2021 und der #UseTheNew-Studie.

Nachrichtennutzung junger Menschen macht Unterschiede

Gesundheitliche Risiken durch Corona sind nur ein Problemfeld, das nicht nur ältere Menschen und Risikogruppen, sondern auch junge Leute dazu animiert hat, sich in den vergangenen Monaten stärker über aktuelle Entwicklungen zu informieren. Zu dem Ergebnis kommt die aktuelle Erhebung der Langzeitstudie Reuters Digital News Report zur Nachrichtennutzung. Die vom Leibniz-Institut für Medienforschung in Hamburg verantworteten Ergebnisse für Deutschland ergänzen die Resultate der am selben Institut durchgeführten qualitativen und quantitativen Befragung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Rahmen des Verbundprojektes #UseTheNews in Zusammenarbeit mit der Deutschen Presse Agentur und vielen weiteren Praxispartnern, deren Ergebnisse schon Ende April veröffentlicht wurden. Die Lead-Autoren beider Studien, Uwe Hasebrink und Sascha Hölig, erkennen gemeinsam mit ihren Teammitgliedern Julia Behre und Leonie Wunderlich „mitunter klare Unterschiede in den Interessen und medienbezogenen Nutzungshandlungen“ junger und älterer Menschen.

Die beiden – für den quantitativen Befragungsteil – repräsentativen Studien zeichnen ein vielschichtiges Bild junger Menschen aus den Generationen Y und Z, die wie keine zuvor von digitalen Medien geprägt wurden und denen durch die Corona-Pandemie wichtige typische Sozialisationserlebnisse verwehrt geblieben sind. Nicht erst Corona hat im vergangenen Jahr die Aufmerksamkeit junger Leute dominiert, sondern auch viele weitere gesellschaftliche Mammutaufgaben wie Klimawandel, Generationengerechtigkeit oder der Wandel der Mobilität. Wie die Ergebnisse der beiden Studien nahelegen, ringen junge Menschen zwischen 14 und 34 Jahren auch um ihre Widerstandsfähigkeit in einer sich immer rasanter wandelnden und in vielen Perspektiven und Bezugspunkten globalisierten Mediengesellschaft, in der es nur noch wenige Sicherheiten zu geben scheint.

Verunsicherung, Überforderung, Perspektivlosigkeit: Die Folgen von Corona für das Medienhandeln

Im Spannungsfeld zwischen umfassenden Beschränkungen und Brüchen im Alltag junger Menschen und digitaler Lebensplanung voller Unwuchten ist ein hohes Maß an Widerstandsfähigkeit oder Resilienz auf mehreren Ebenen digitalen Medienhandelns gefragt: Im Mittelpunkt mögen Fähigkeiten der Aneignung digitaler Informationen und speziell Nachrichten stehen (Stichwort: Digitale Nachrichtenkompetenz), doch sind auch Fragen des souveränen Umgangs mit digitaler Kommunikation im Allgemeinen und Aspekte der Zukunftsgestaltung mithilfe digitaler Medien tangiert.

Die Ergebnisse und daraus abgeleitete Schlussfolgerungen im Einzelnen:

  • Journalismus als Begleiter:in durch die Krise
    Corona hat das Leben des Großteils der Weltbevölkerung verändert. Die Spuren im gesellschaftlichen Leben sind auch in Deutschland unverkennbar. Menschen in der Lebensphase zwischen Schule, Ausbildung, Studium und Beruf haben nach den Daten des Digital News Reports am stärksten mit Veränderungen der persönlichen Situation durch Corona zu kämpfen. Die Selbstauskünfte lassen gravierende persönliche Konflikte und Unsicherheiten erahnen: Geben zwei Drittel der über 55-Jährigen an, (starke) Auswirkungen durch die Pandemie erlebt zu haben, teilen 81 Prozent der 18- bis 24-Jährigen diese Einschätzung. Eine daraus resultierende Frage: Inwiefern können journalistische Inhalte Nutzer:innen dabei helfen, die Krise im Mikrokosmos des individuellen Alltags besser zu bewältigen oder sogar gestärkt aus ihr hervorzugehen?
  • Ein blinder Fleck bleibt
    Während Corona die strukturelle Transformation des Journalismus enorm vorangetrieben hat und digitales Arbeiten in Redaktionen spätestens jetzt den neuen Normalzustand darstellt, hat die Pandemie offensichtlich auch einige Monita in der journalistischen Praxis zementiert: Dazu gehört unter anderem eine verbreitete Konzeptlosigkeit, die Lebenswirklichkeit junger Menschen angemessen in die Berichterstattung zu integrieren, ohne Zielgruppen-Ghettos zu schaffen. Letztere wurden in Form junger Nachrichtenangebote wie Ze.tt, Noizz oder Bento im vergangenen Jahr ohnehin weitestgehend abgewickelt. Nach den Ergebnissen des Digital News Reports empfinden 42 Prozent der 18- bis 24-Jährigen Mediennutzer:innen in Deutschland den Umfang der Berichterstattung über „Menschen meines Alters“ als unzureichend. Darüber hinaus gaben 37 Prozent dieser Altersgruppe an, dass – sollte über Menschen ihres Alters berichtet werden – dies inhaltlich nicht angemessen sei, also zum Beispiel Fehler oder Verzerrungen moniert werden. Junge Erwachsene fühlen sich in signifikantem Umfang von den etablierten Medien falsch oder nicht verstanden.
  • Junge Menschen bewerten Relevanz anders
    Das mag auch an einer deutlich geringeren Wertschätzung für klassischen Schwarzbrotjournalismus bei jüngeren Nutzer:innen liegen, bei denen das Interesse an Hard News nicht sonderlich ausgeprägt ist, wie die #UseTheNews-Studie unterstreicht. Andere Themen und Fragestellungen werden für wichtiger erachtet: Junge Menschen orientieren sich eher an ihren Peers, an Vorbildern und Leitfiguren im Influencer:innenspektrum, das sich in individualisierten Feeds auf Instagram, Snapchat und TikTok aufspannt. Wenn ein Thema tiefergehend interessiert, werden auch gern ausgewählte Themen-Gruppen und Foren im Netz angesteuert. Dies mag als Ausweichbewegung verstanden werden, denn der Bedarf an lebensweltlich relevanten Informationen, Wertediskussionen und Identitätsaushandlungen ist fraglos vorhanden, Unsicherheiten sind groß, Orientierungsbedarfe hoch. Doch die Klüfte zwischen klassischer Berichterstattung und der Lebenswirklichkeit Jugendlicher und junger Erwachsener sind tief. Es droht besonders bei Nutzer:innen, die sich ohnehin nur wenig aktiv informieren, eine nachhaltige Entfremdung von professionellen Nachrichtenangeboten.
  • Ausbaufähige Nachrichtenkompetenz
    Trotz des gestiegenen Interesses an bestimmten primär gesundheitlichen Themen kommen junge Menschen weiterhin eher zufällig mit journalistischen Inhalten auf Social-Media-Plattformen in Kontakt, erkennen diese bisweilen aber nicht, auch weil sich ihnen der inhaltliche Mehrwert in Relation zu anderen nicht-journalistischen Informationen nicht unbedingt erschließt. Die „News will find me“-Hypothese erweist sich auf Basis der Selbstauskünfte der #UseTheNews-Studie als weitgehend widerlegt, auch wenn gerade junge Mediennutzer:innen gerne behaupten, dass alles, was wichtig sei, schon irgendwie den Weg in ihren Aufmerksamkeitsbereich finde. Die Studie zeigt dies unter anderem an der Bezeichnung „Black Lives Matter“, die trotz starker Präsenz als Name einer sozialen Bewegung und als Hashtag in klassischen und sozialen Medien vielen jungen Befragten nicht bekannt war. Hier steht ein Gefühl des Informiertseins und des Mitredenkönnens in starker Diskrepanz zu der tatsächlichen Abkoppelung vom gesellschaftlichen Zeitgeschehen, dem politischen Diskurs und der kritischen Öffentlichkeit.
  • Der Blick ist weit, das Interesse breit
    In Krisenzeiten wie in der Corona-Pandemie drohen sich Themenverdrossenheit und News Fatigue, das heißt Ermüdungserscheinungen und Vermeidungs- bzw. Ignoranztendenzen, auszudehnen. Typische Redundanzen in der Krisenberichterstattung mit immer neuen Hiobsbotschaften, fluktuierenden Infektions-, Todes- oder Impfzahlen und politischen Auseinandersetzungen um Für und Wider von Einschränkungen und Öffnungen strapazieren schnell die Nerven junger Mediennutzer:innen. Die vielfältigen Themeninteressen gerade junger Menschen wurde hier bislang offenbar mehr schlecht als recht eingelöst. Dabei sind die Themeninteressen der Jüngeren nur scheinbar widersprüchlich, wenn sie sich einerseits Berichte über lustige und sonderbare Ereignisse wünschen, andererseits aber von einem Bedürfnis angetrieben werden an, über sehr konkrete Spezialthemen und Inspirierendes aus Internationalem, Politik, Gesundheit und Bildung, Umwelt und Natur, Wissenschaft, Technik und Lokalem informiert zu werden – sofern es für ihre Lebenswirklichkeit relevant ist. Leitend ist der Bezug zu den persönlichen Werten, Träumen und Plänen junger Leute, die ein komplexes Medienmenü unterschiedlicher Plattformen und ausgewählter Informationsquellen zu managen haben, um ihre Bedürfnisse zu befriedigen. Allerdings fühlt sich mehr als die Hälfte der 18- bis 24-Jährigen nicht sehr oder überhaupt nicht verbunden mit ihrer jeweiligen lokalen Gemeinschaft, 41 Prozent können mindestens ein wenig Verbundenheit aufbringen. Primäre Bezugsthemen hier sind ähnlich denen der älteren Generationen: Corona und das Wetter.
  • Im Zweifel lieber konventionell
    Nichtsdestotrotz haben die klassischen Medien in der Krise etwas hinzugewonnen: Wie der Digital News Report zeigt, wird der Bedarf nach Orientierung und Aufklärung im Mittel tatsächlich noch für ein Viertel der 18- bis 34-Jährigen am ehesten durch das Fernsehen als Hauptnachrichtenquelle befriedigt. Aber: Regelmäßiger und häufiger werden Nachrichtenquellen im Internet genutzt. Knapp zwei Drittel geben Online-Angebote als Hauptnachrichtenquelle an, und sogar mehr als drei Viertel der 18- bis 34-Jährigen frequentieren im Laufe der Woche Quellen im Netz, um sich zu informieren, und damit häufiger als das Fernsehen (47 Prozent), Radio (21 Prozent) oder Print-Medien (15 Prozent). Auch wenn die Social-Media-Fixierung der Jüngeren (Instagram ist hier führend) augenfällig ist und Social-Plattformen für ein Viertel der 18- bis 24-Jährigen als Hauptnachrichtenquelle fungieren: Nachrichtenmagazine, Zeitungen und TV- und Radioanbieter überzeugen auch diese Altersgruppe online, speziell wenn es um verlässliche lokale Informationen zu Corona- und Gesundheitsthemen geht. Soziale Medien liegen in dieser Kategorie nahezu abgeschlagen auf einem ähnlich niedrigen Niveau wie bei den über 55-Jährigen. Dies wird auch durch das gestiegene allgemeine Vertrauen in Nachrichten unter den jüngsten befragten Nutzer:innen gespiegelt: Gab es im Frühjahr 2020 nur 31 Prozent Zustimmung bei der Aussage, den Medien meist zu vertrauen, sind es in diesem Jahr – nach zwölf Monaten Corona – 48 Prozent. Soziale Medien dagegen bleiben wie in den Vorjahren ein ‚Guilty Pleasure‘: Sie werden zwar von jungen Menschen genutzt, aber nicht wertgeschätzt – nur mickrige 15 Prozent der 18- bis 34-Jährigen vertrauen der Informationsleistung der Plattformen und liegen damit altersübergreifend im Durchschnitt.
  • Sehnsucht nach Verlässlichkeit ohne Beigeschmack
    Für die meisten Menschen sind kostenfrei zugängliche Informationsangebote schon aus wirtschaftlichen Gründen die (Online-)Quellen der Wahl. Aber: Die Bereitschaft, für journalistische Inhalte im Netz zu zahlen, ist aktuell bei jungen Menschen am höchsten, wie der Digital News Report zeigt: Immerhin fast ein Fünftel zeigt sich grundsätzlich geneigt, für digitalen Journalismus zu zahlen, wenn er Mehrwert bietet. Nicht goutiert werden dagegen nach Erkenntnissen der #UseTheNews-Studie zur Medienaneignung Jugendlicher und junger Erwachsener aktivistische Tendenzen in Nachrichtenangeboten oder bei einzelnen Journalist:innen. Auch Subjektivität oder die Vermischung von Nachricht und Meinung ist nicht gewünscht: Dafür sind andere nicht-journalistische Anbieter:innen zuständig. Junge Nutzer:innen dringen auf sachliche, verbindliche und verlässliche Information – klassisch überparteilich und ohne unterhaltsame Zutaten. Ein Festhalten an den journalistischen Regelstrukturen, die von jungen Menschen eher gefühlt als gelernt mit Objektivität, Unabhängigkeit und Überparteilichkeit in Zusammenhang gebracht werden, ist für sie selbstverständlich – es sei denn, es handelt sich um bestimmte Themen, „bei denen es für Nachrichtenmedien keinen Sinn ergibt, neutral zu bleiben“. Hier scheren die jungen für den Digital News Report Befragten aus: Etwas mehr als ein Drittel (verglichen mit weniger als einem Viertel der etwas Älteren und Mittelalten) stimmen zu, womöglich weil für sie bestimmte Haltungen und Werte nicht verhandelbar erscheinen. Allgemein aber gibt mehr als drei Viertel der 18- bis 24-Jährigen an, dass Nachrichtenmedien eine Bandbreite unterschiedlicher Meinungen abbilden und es den Nutzer:innen selbst überlassen sollten, eine Entscheidung zu treffen. Die strikte Trennung von Unterhaltungs- und Informationsmotiven bei der Mediennutzung mag auch fehlende Nachrichtenkompetenz beim situativen Erkennen journalistischer Inhalte in der bunten und an Quellen reichen Social-Media-Umgebung liegen: Je deutlicher die Kernmerkmale des Journalismus herausgestellt werden, desto eindeutiger ist sein Informationswert zu erkennen.
  • Angst vor informationellem Trickbetrug
    Falschmeldungen können gravierende Folgen haben, das zeigen auch diverse Fake-News-Wellen, die mit ihren viralen Inhalten zur Corona-Pandemie Nutzer:innen von Messenger-Diensten und Social-Media-Plattformen heimsuchten. Im Digital News Report zeigt sich, dass unter den jüngsten Befragten die Sorge am weitesten verbreitet ist, bei Online-Nachrichten möglicherweise nicht erkennen zu können, was Fakten oder Falschmeldungen, vor allem irreführende und manipulative Informationen, sind: 45 Prozent der 18- bis 24-Jährigen meinen, sie hätten unter Umständen Schwierigkeiten bei der Unterscheidung. Die Verunsicherung sitzt so tief, dass elf Prozent dieser Altersgruppe selbst bei professionellen Nachrichtenwebsites oder -Apps Sorge haben, sie könnten mit Fake News konfrontiert werden. Neben Facebook bereiten aber Messenger-Apps wie WhatsApp und Facebook Messenger den Jüngsten die größte Sorge: Dies korrespondiert damit, dass junge Nutzer:innen solche Dienste intensiv in ihrem Alltag einsetzen, um miteinander im Gespräch zu bleiben, nicht nur, aber erst recht in Zeiten sozialer Distanz. Auch dies zeugt von einer tiefen Verunsicherung im eigenen Medienhandeln, die einen souveränen Umgang mit relevanten Kommunikationsdiensten erschwert.
  • Partizipation ist eine Utopie
    Die Ergebnisse des Digital News Report deuten auch darauf hin, dass der ‚Netizen‘, mündige Bürger:innen, die sich aktiv, informiert und kompetent am öffentlichen Diskurs im Netz beteiligen und Nachrichteninhalte souverän wie kritisch um eigene Perspektiven, Wissensinhalte und ergänzende Recherchen anreichern, als breite gesellschaftliche Utopie graue Theorie geblieben ist: Generell ist die Partizipationslust bei Mediennutzer:innen in Deutschland gering, auch bei den jüngeren. Am aktivsten noch teilen und kommentieren solche Mediennutzer:innen Nachrichteninhalte in sozialen Medien, die sich klar im linken oder rechten politischen Spektrum verorten. Tatsächlich zeigen sich mehr Jüngere im Vergleich zum Vorjahr an Politik überaus und sehr interessiert, der Wert stieg um ganze sieben Punkte auf 42 Prozent. Dagegen sank der Wert bei den älteren Millennials bis Mitte 30 um fünf Prozentpunkte auf nur noch 39 Prozent – auch dies deutet auf Unterschiede zwischen den Generationen in der Mobilisierungsbereitschaft und dem Frustrationsgrad von Millennials und den Angehörigen der nachfolgenden Generation Z angesichts der gesellschaftspolitischen Stimmungslage. Journalismus kommt in dieser Gemengelage eine Scharnierfunktion bei der intergenerationalen Stiftung von gesellschaftlichem Zusammenhalt zu: Grundlage ist und bleibt die altersübergreifende Versorgung der Bevölkerung mit sorgsam recherchierten Informationen, wie auch immer sie alters- oder zielgruppenspezifisch aufbereitet werden.
  • Journalismus etwas Gutes tun!?
    Journalismus ist eine schützenswerte und angesichts der wirtschaftlichen Verwerfungen auch schutzbedürftige kulturelle Praxis. In der Corona-Krise hat eine Vielzahl von journalistischen Akteur:innen – seien es Verlagshäuser, Non-Profits und nicht zuletzt freischaffende Journalist:innen – mit existenziellen Nöten zu kämpfen. Ob, wie umfassend und wie lange der Markt die Aufrechterhaltung journalistischer Qualität in den bestehenden institutionellen Gefäßen gewährleisten kann, ist ein Dauerthema in der Journalismusforschung und vermehrt auch in der Medienbranche selbst. Daher liegt die Frage nahe, die für den Digital News Report an Mediennutzer:innen gestellt wurde: „Sollte die Regierung eingreifen und kommerzielle Nachrichtenmedien unterstützen, die ohne Hilfe selbst nicht genug Geld verdienen?“ Wie offen, sicherlich auch unbedarft jüngere Bevölkerungsteile mit dem Szenario einer finanziellen Unterstützung von Nachrichtenmedien durch die Regierung bzw. den Staat umgehen, ist an der geringen Ablehnung zu erkennen: Nur 38 Prozent der 18- bis 34-Jährigen sprechen sich gegen die Option einer staatlichen Förderung aus (im Vergleich zu 52 Prozent der über 35-Jährigen). Mehr als ein Viertel der Jüngeren sind sogar explizit für staatliche Subventionen für die Presse. Ob dies einerseits auf den Wunsch zurückzuführen ist, Qualität zu sichern gegen die Volatilität des Marktes, der unter Corona besonders leidet, oder auf ein mangelndes Problembewusstsein für das Risiko staatlicher Nähe zur journalistischen Praxis, muss offenbleiben. Naiv bleibt die Hoffnung, Journalismus brauche eine staatlich abgesicherte Existenz, die mehr Freiheiten bietet als Risiken der Einflussnahme.

Fazit

Widerstandsfähig zu bleiben und auch psychischen Belastungen in Krisen standzuhalten, die so umfassend medial begleitet und vermittelt werden wie die Corona-Pandemie, setzt einen nahbaren und dialogbereiten Journalismus voraus, der die Bedürfnisse und Probleme junger Generationen von Mediennutzer:innen ebenso aufgreift wie die seiner angestammten Publika. Nur wenn journalistische Inhalte auch in der Plattformökonomie kenntlich werden und einen Unterschied machen zu zweifelhaften Informationen aus unklaren Quellen, zum Hörensagen, zu absichtlicher Desinformation, kann eine kritische Öffentlichkeit, die immer auch Resilienz produziert und vermittelt, bestehen oder entstehen. Junge Menschen sind essentielle Akteur:innen und Gestalter:innen dieser kritischen Öffentlichkeit – und das Zielgruppenkonzept wird dieser Rolle nicht ansatzweise gerecht. Nachrichtenmedien sollten aus diesem Potenzial Kraft und den ruhelosen Antrieb schöpfen, die jüngeren Teile der Bevölkerung für ihre Arbeit und Prinzipien zu begeistern, ohne die älteren zu entfremden. Es wäre ein wichtiger Schritt zu einer resilienteren Mediengesellschaft.

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